Dienstag, 31. Dezember 2013

Wort des Tages

»Christus zu erkennen, bedeutet, seine Wohltaten zu erkennen« (Philipp Melanchthon).

Abendmahl und Diakonie


Gerade lese ich ein Buch über die Geschichte des evangelischen Gottesdienstes. Bemerkenswert finde ich eine Phase in der frühen Kirche, in der das Abendmahl immer noch Teil eines Sättigungsmahles war. Etwas später verschwand dann das Feiern des Abendmahls während eines richtigen Essens. Dafür brachten dann aber Gemeindemitglieder als diakonischen Akt Nahrungsmittel wie Brot und Wein mit in den Gottesdienst, was dann für das Abendmahl verwendet wurde, aber auch an die Armen und Bedürftigen verteilt wurde.
Ausführlich beschreiben wird das beim Kirchenvater Justin.
In den Schriften Justins (gest. um 165 in Rom) finden sich genaue Schilderungen vom sonntäglichen Gottesdienst, wie er sich damals in Rom, aber vielleicht auch in Kleinasien abgespielt haben mag. Schon jetzt bildet sich die »Grundstruktur« heraus, die wir in vielen Gottesdiensten wiedererkennen: Am Anfang steht der Verkündigungsteil des Gottesdienstes, der damals auch für die Nichtgetauften offen war. Er ist durch Lesungen aus den Propheten und den Evangelien geprägt und durch die Predigt, die vom Vorsteher gehalten wird. Es schließt sich ein Gebet mit Fürbittcharakter an. Es folgt die Mahlfeier, die allein den Getauften vorbehalten war und sich in drei größere Teile gliedert: in die Gabenbereitung, das Eucharistiegebet und die Austeilung. Dem Mahl geht ein »Gläu- bigengebet« und der »Bruderkuss« – das Zeichen des Friedens – voraus. Besonders interessant ist, dass das liturgische Element der »Gabenbereitung« mit diakonischen Aktivitäten verbunden war: Gemeindeglieder brachten Brot, Wein und andere Nahrungsmittel zum Gottesdienst mit, die neben ihrer Verwendung für die Eucharistie hauptsächlich bedürftigen Gemeindegliedern zugutekamen. Was früher im Sättigungsmahl den Armen zugewendet worden war, fand nun mit dieser besonderen »Naturalkollekte« eine sinngemäße Fortsetzung. Auch heute stehen wir immer wieder vor der Frage, wie Gottesdienst und Weltverantwortung, Liturgie und Diakonie in ihrer Zusammengehörigkeit zum Ausdruck gebracht werden können. Die ersten Feierabendmahle, wie sie in den 1980er Jahren im Rahmen der Kirchentage gestaltet wurden, knüpften unmittelbar an Impulse der Justinschen Abendmahlsordnung an.
Wäre es nicht eine Idee, diesen Gedanken auch für heutige Abendmahlsgottesdienste wieder aufzugreifen? Anstatt dass man beim gemeindlichen Abendmahl mit Vollversorgung rechnen kann, ist man plötzlich verantwortlich, Lebensmittel mitzubringen die Teil des Abendmahls sind und gleichzeitig an Bedürftige verteilt werden. In unserer Gemeinde könnte man diese Nahrungsmittel dann im Heilandsack verteilen.

Freitag, 27. Dezember 2013

Den Sünder lieben und die Sünde hassen?

Immer wieder hört man diesen Satz, wenn es darum geht, bestimmte Verhaltensweisen an Menschen zu verurteilen. Dieser Satz soll zum Ausdruck bringen, dass man die Sünde nicht dulden kann, den Menschen aber nicht verurteilen möchte. Man macht diesen Kunstgriff, weil man ja weiß, dass man nicht richten soll und scheinbar kann man somit die Sünde verurteilen, aber nicht den Menschen.

Es braucht aber die Tiefenpsychologie der Moderne, um diese Einteilung hinzubekommen. Diese innermenschliche Abspaltung der Person in ihr Tun und ihr Sein, ist der Anthropologie der Bibel fremd.
Und was so einfach klingt, braucht ein hohes Maß an göttlicher Liebe, damit es uns Menschen gelingt, derart differenziert lieben und hassen zu können.
Und selbst Gott geht so nicht vor. Er lässt ja nicht den Menschen exklusive seiner Sünden in den Himmel, da er der Herr der Unterscheidung ist. Es gibt ja nicht die Person mit Sünde und die Person ohne Sünde. Gott wirft nicht die Sünde in die Hölle, lässt den nackten Menschen aber in den Himmel schlüpfen. Der Mensch wird wegen seiner Sünde verurteilt. 
Es ist der Humanismus, der uns vorgaukelt, es gäbe einen guten, rettenswerten Kern im Menschen, den Gott sieht und wegen dessen er sich erbarmt. Als könne Gott durch unserer Sündhaftigkeit hindurchsehen auf unseren unverdorbenen, göttlichen Kern. Luther würde sich im Grab herumdrehen! Dieser Gedanke macht in keiner Weise ernst mit der Sünde des Menschen. Wer die Sümde hasst, der muss den ganzen Menschen hassen, denn der Mensch ist ganz Sünder, da ist nichts Gutes in ihm, kein guter Kern, nichts Liebenswertes, das Gott entdeckt und den Menschen entsprechend liebt.

Es ist gerade nichts am Menschen, das Gottes Liebe auslöst. Gottes Liebe ist grundlose Liebe, unmotivierte Liebe, bedingungslose Liebe - in dem Sinne, dass man Gott nicht motivieren muss uns zu lieben. Man muss ihm keinen Grund liefern uns zu lieben. Genau das ist menschliche Liebe. Eros. Sie stellt den Wert eines Menschen fest und liebt ihn entsprechend. Agape, die göttliche Liebe, ist völlig anders: sie liebt grundlos und stellt damit Wert her. Gott reagiert nicht mit seiner Liebe. Er ist die Quelle der Liebe.
Und darum muss Gott auch nicht durch unsere Sünde hindurch unseren guten Kern finden, um uns lieben oder erretten zu können. Er liebt und rettet, weil er die Quelle der Liebe und des Erbarmens ist und diese Liebe in Jesus den Weg für unsere Erlösung geschaffen hat.

Den Sünder lieben und die Sünde hassen ist nicht nur menschlich unmöglich, es ist auch soteriologischer Unfug, mehr noch, es ist geradezu gefährlich.

Wir sind aufgefordert ebenso bedingungslos den ganzen Menschen zu lieben mit Agape. Egal welche Sünden er begeht. Und hassen gehört nun schon gar nicht zu unserem Repertoire an Fähigkeiten.

Sehr schön fasst das auch Tony Campolos in folgendem Video zusammen: